Elena Becker MA

Der Begriff des Absoluten oder: der stabile Mechanismus

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Im fortdauernden Ukraine-Krieg zwischen Ukraine und Rußland gibt es weiter keine -positive- Veränderung.

Ein „Siegesplan“, den der ukrainische Präsident Selenskyj auf einem EU- Gipfeltreffen vorstellte, wurde von den Teilnehmern u.a. Bundeskanzler O. Scholz mit Skepsis aufgenommen.

Auch Nato-Chef Rutte erteilte einem im Plan Selenskyjs vorgesehenen Nato-Beitritt der Ukraine eine mittelfristige Absage.

Eine -positive- Wende und evtl. „neue Realität“ ergibt sich im aktuellen Nahost-Konflikt für Israel aus dem Tod des für den Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 verantwortlichen „Hamas“- Anführers.

Indessen versucht der Iran, eine „Koalition“ mit Ägypten anzubahnen.

Im Bundestag wurde der umstrittene „Sicherheitspakt“ beschlossen, den die CDU als „verwässert“ bezeichnete. Im derzeitigen US- Wahlkampf „wettert“ der republikanische Präsidentschaftskandidat D. Trump gegen einen „inneren Feind“.

Seine demokratische Gegenkandidatin K. Harris nennt Trump daraufhin zunehmend „instabil“.

Der kriteriologische Ausdruck „Stabilität“ entwickelte sich im politischen Denken des -Mitte- 20. Jahrhunderts wie im Pragmatismus John Deweys zu einem systeminternen Leitbegriff.

In John Deweys „Die Suche nach Gewißheit“ erscheint die Begriffseinheit „Klarheit und Stabilität“1 als Resultat von durch „Operationen“(ebd.) gewonnenen „Schlußfolgerungen“(ebd.), also anstelle eines formalindikativen („inhaltlichen“) „Aposteriori“.

Im Pragmatismus reklamiert dieses „Aposteriori“ jedoch so den Geltungsrang einer -Cartesianischen- „Gewißheit“ und „absoluten“ Evidenz nach dem -Schema- der wahrheitsadäquaten Aussage R. Descartes´ „clara et distincta“(lat.).

Während Dewey das Ansinnen und die Suche nach einer „universalen Gewißheit“(ebd. S. 228) kategorisch verwirft, nämlich im Hinblick darauf, daß die -Dewey- „Erreichung eines relativ Sicheren und Erledigten“(ebd.) nur in Konstellation mit, Dewey:“(genau) umgrenzte(n) problematische(n) Situationen“(ebd.) stattfindet, orientiert sich das pragmatische Denken so am „Modell“(ebd.S. 229) oder Vorbild einer „experimentellen“(ebd.) Forschung und zumal der objektiven (dinglichen) „Unbestimmtheit“(ebd. S. 231).

In „Erfahrung und Natur“ hat Dewey in Demokrit und Plato, die beide in der, Dewey:“Suche nach Solidität“2 und einer -stabilen (ebd.)- Realität (ebd.) konvergierten, als Vorläufer einer Anschauung bezeichnet, die in der „alten“(ebd. S. 71) d.h. metaphysischen „Tradition“(ebd.) mit einer dualistischen (dichotomischen) „Trennung“(ebd.) oder Aufteilung zwischen den „dynamischen“(ebd.) , „fließenden“(Demokrit: ebd.), also veränderlichen und instabilen Eigenschaften der „Natur“(ebd.) und -Dewey- der „Ewigkeit statischer (idealer) Formen“(ebd.) eines theoretischen oder „kontemplativen“(etc.) Denkens konnotiert und darin statuiert wurde.

In dieser Linie sieht Dewey den neuzeitlichen Mathematiker und Logiker Bertrand Russell, der seine -Sehnsucht- nach einer in der Mathematik verorteten „Region absoluter [sicherer] Notwendigkeit“(ebd. S. 70) artikuliert und gegenüber einer -Empfindung- , Zitat B. Russell:“der Ohnmacht der Schwäche, des Ausgestoßenseins inmitten `feindlicher Mächte´“(ebd.) prädiziert.

Eher am -vergleichsweise- diametral entgegengesetzten Pol einer, Dewey:“verwickelte(n) Mischung des Stabilen und Prekären“(ebd. S. 71) erklärt der „moderne“(ebd. S. 70) Denker Santayana seine -Version- einer „ästhetischen Kontemplation“(ebd.) -der „Natur“(ebd.)- , aus der er, Zitat Santayana-

„Jede(n) Aspekt der idealen Welt aus der natürlichen [Realität]“(ebd.) ableitet und damit die „naturalistische“ Position vertritt, daß, Santayana:“die Sinne, die Kunst, die Religion, die Gesellschaft [ein] überschwenglicher Ausdruck der Natur sind“. (J. Dewey. Erfahrung und Natur. Ebd.)

Ausgehend aber von seinem, sei es „mathematischen“, sei es natur-wissenschaftlichen Standpunkt hält der Pragmatismus die - „Überzeugung“(ebd. S. 71)- für notwendig und unabdingbar, daß -die „Wissenschaft“(ebd.)- nicht: die Politik- Dewey:

„nicht nur ein Begreifen des regelmäßigen und stabilen Organismus der Natur ist, sondern auch ein Organ, durch hre eigene Expansion die üppigeren und unregelmäßigen Äußerungen(der Natur, sic.) im menschlichen Verkehr, in den Künsten, der Religion, der Industrie und in der Politik(sic) zu regulieren und zu bereichern“(ebd.). Auch wenn es so scheint, als ob damit die -Expansion“(ebd.)- einer politisch-gesellschaftlichen und industriellen Dynamik an die Kandarre einer -alles regulierenden- Wissenschaft gelegt würde, ist die Gefahr nicht gebannt, die sich durch den -Glauben- an, mit M. Horkheimer:“falsche Theorien“3 einschleicht, welche -explizit- in den „Sozialwissenschaften“(ebd. S. 174) u.a. aufgestellt und zweckinstrumentalisiert werden.

Dabei gerät, wie Max Horkheimer in „Zur Kritik der instrumentellen Vernunft“ mokierte, des öfteren -ideologisches- „Denken und Planen durcheinander“(Horkheimer, S. 174), wenn etwa R. Lynd propagiert, „einen Kern höchst einleuchtender (gemeinsamer) Zwecke“(ebd.) in die -säkulare Struktur- eines „operativen Systems“(ebd.) zu implementieren, in dem andererseits -Lynd- „für Theologie, Eschatologie und andere... Aspekte des Christentums... kein Platz“(ebd.) mehr ist.

In dieser neuen „Synthese“ zwischen einer Strukturobjektivität und -eingebauten- hypothetischen, ideologischen (o.ä.) „Zwecken“ wird diese nicht nur „pragmatisch“(Horkheimer, ebd.) transformiert, sondern auch als Gesamtorganisation einem -“hypothetischen“(H. Marcuse)4 „Apriori“(ebd.) subordiniert und danach ausgerichtet.

Wie die „Religion“(Horkheimer, S. 172) dient das zweckinstrumentelle -neue- Strukturelement nicht nur als -Horkheimer: -„Basis“(Horkheimer, ebd.) einer, wie es H. Marcuse seinerseits ergänzt:“antagonistischen Wirklichkeit“(Marcuse, S. 167) des „Lebenskampfes“(R. Lynd; Horkheimer, ebd.) , den der „szientifische [wissenschaftliche] Geist“(Marcuse, ebd.) zunächst abschwächte, es scheint sich darin zu erneuern.

Ob vorwiegend unter diesem Aspekt oder dem einer anderen Fusion, derjenigen von -gesellschaftlicher, „militärischer“- „Sicherheit“ und -wirtschaftlicher, industrieller- Produktivität, verwandelt sich aus Sicht H. Marcuses („Der eindimensionale Mensch“) die -fortschrittliche- Industriegesellschaft, die nach Worten Marcuses den „Feind“(sic; ebd. S. 77) als „tödliche Kraft“(ebd.) in das -politische- „System“(ebd.) einbaut(ebd.) in eine durchorganisierte „Verteidigungsgesellschaft“(ebd.), wie sie Marcuse „neologistisch“ tituliert.

Marcuse im Wortlaut:

“Die fortgeschrittene Industriegesellschaft ist zwar ein System von Mächten, die einander ausgleichen. Aber diese Kräfte heben sich gegenseitig in einer höheren Einheit auf- im gemeinsamen Interesse, die erreichte Stellung zu verteidigen und auszubauen, die historíschen Alternativen (sic) zu bekämpfen, qualitative Änderung zu hintertreiben(sic)...: die Außenpolitik der Eindämmung erscheint als eine erweiterte Innenpolitik der Eindämmung.“( H. Marcuse. Der eindimensionale Mensch. S. 70)

In die von Marcuse unter solchen strukturdeterministischen Gegebenheiten konstituierte Strukturobjektivität und „Pluralität“(ebd.) wird das potentiell destabilisierende Element des „inneren Feindes“(ebd.) -additiv- eingefügt, Marcuse:

“Freie Institutionen wetteifern mit autoritären darum, den Feind zu einer tödlichen Kraft innerhalb des System zu machen. Und diese tödliche Kraft regt Wachstum(sic) und Initiative(sic) an – nicht infolge der Größe und ökonomischen Auswirkung ders Verteidigungss`sektors´, sondern der Tatsache, daß die Gesellschaft als Ganzes zu einer Verteidigungsgesellschaft wird. Denn der Feind ist permanent. Er existiert nicht(!) in einer Notsituation, sondern im Normalzustand. Er droht(!) im Frieden wie im Krieg (und vielleicht mehr noch im Frieden; Marcuse); er wird so ins System als eine Bindekraft eingebaut.“(H. Marcuse. Ebd. S. 71)

Diese „zirkulär“ quasi geschlossene Rück-Bindung des Systemganzen, die Marcuse in der zeitpolitischen Phase der „konkurrierenden“ Systeme, Kapitalismus und Kommunismus, analysierte und in dieser Weise als „Verteidigungsgesellschaft“ beschrieb, liefert eine -Art- „praktische Gewißheit“(Marcuse, S. 166), in der die -“metaphysische“- Frage nach dem „was“(ebd.) oder „Sein als solchen“(ebd.) aber auf einen „operationellen Zusammenhang“(ebd.) und ihre Funktionalität transferiert und restringiert wird.

In diese sich „permanent“(Marcuse, S. 71) de-stabilisierende Strukturform dringt, wie M. Horkheimer anhand der „Werke Emersons“(Horkheimer, S.115) aufweist, mitunter ein „Absolutes“(ebd.) ein, das in Gestalt des „mimetischen Impulses“(bd. S. 114) und in demagogischen Szenen eine elementar „zerstörerische“(ebd.) Virulenz besitzt.

Eine -literarische- Vorlage findet Horkheimer in Victor Hugos „L´homme qui rit“(dt. „Der Mann, der lacht“), Horkheimer dazu:

“Die Szene im britischen Oberhaus, in der das Gelächter über die Wahrheit triumphiert, ist eine meisterhafte Vorlesung über Sozialpsychologie. Der Abschnitt trägt den Titel `Menschliche Stürme des Meeres´. Nach Hugo enthält das Gelächter stets ein Element der Grausamkeit, und das Gelächter ist die Heiterkeit des Wahnsinns... Max Eastman verteidigt die Heiterkeit als ein Prinzip. Über den Begriff des Absoluten sprechend erklärt er: `Eine unserer Haupttugenden ist es, daß es uns zum Lachen zumute ist, wenn wir die Leute solche Dinge (`Das Absolute´) sagen hören. Das Gelächter spielt bei uns tatsächlich die Rolle, die eben das „Absolute“ in Deutschland gespielt hat. Im achtzehnten Jahrhundert“, erläutert Horkheimer, „nahm das Gelächter der Philosophie(sic) über große Worte einen aufrüttelnden und mutigen Ton an, der eine emanzipierende Kraft hatte. Solche Worte waren die Symbole tatsächlicher Tyrannei;... Im zwanzigsten Jahrhundert ist das Objekt des Gelächters nicht die konform gehende Menge, sondern vielmehr der Sonderling, der es immer noch wagt, autonom zu denken.“(Horkheimer, ebd. S. 115)

Horkheimer schildert anschaulich, wie der „ansteckende“ Effekt des Absoluten in der Erscheinungsform des „Gelächters“ auf die diabolische Seite der „modernen“ Strukturobjektivität übergewandert ist und sich, nicht anders als in mittelalterlichen Pogromen, in den „nationalsozialistischen Versammlungen“(ebd. S. 114) gegen Intellektuelle, „(p)olitisch Geächtete“(ebd.) oder „rassische Feinde“(ebd.) entlädt, die im wörtlichen Sinn: „lächerlich“(ebd.) gemacht, diskriminiert und „systematisch“ verfolgt wurden.

Die Symptomatik und „Symbolkraft“ des menschen-verachtenden Gelächters bringt „faktisch“ diejenige „Karikatur“(J. Dewey)5 zur Erscheinung, die John Dewey mit dem selbstgenerierenden „Mechanismus“ der Naturwahrnehmung assoziierte.

Dieser Eindruck könnte sich, bemerkt Dewey in „Erfahrung und Natur“ hierzu, angesichts der „Fähigkeit, die Natur als einen vollständigen Mechanismus zu sehen, der selbst den Anblick dieses Mechanismus erzeugt und am Leben erhält“(ebd.) wahrhaftig einstellen.

Ein ähnlicher Mechanismus wohnt auch der -Natur- des „mimetischen Impulses“ unabweislich inne, der die Nachahmung als Mittel in Szene setzt und einsetzt, um einen nachahmenden Effekt wie in Form des Gelächters zu „produzieren“.

Womöglich ist dieses subversive Symbol des „Absoluten“ selbst auch als ein -zweiseitiges- Indiz einer „absoluten Erfahrung“(Dewey, S. 72f) zu interpretieren, die ihren -inneren- „Widerspruch“(ebd.S. 73) quasi „zurückgebogen“ hat und statt sich so einen -Dewey- „tragischen Streich“(ebd.) zu spielen, eine einzige „Parodie“ aufführt, in der der Widerspruch wie eine Volte zurückschlägt.

Der inhärente Widerspruch in der „absoluten Erfahrung“ liegt eigentlich in ihrer der Wirklichkeit enthobenen Realitätsferne, Dewey:

“Der Begriff der absoluten Erfahrung, die ausschließlich und immer vollkommen gut ist, entfaltet zunächst diese wünschenswerten Implikationen der Dinge der wirklichen Erfahrung und behauptet dann, daß sie allein wirklich seien. Die erfahrenen Vorkommnisse, die der Sehnsucht nach einer besseren Welt ihre Pointe und Angemessenheit geben, die experimentellen Anstrengungen und Pläne, die wirkliche Verbesserungen der Objekte der wirklichen Erfahrung möglich machen, werden infolgedessen aus dem wirklichen Sein in eine Rumpelkammer der Erscheinungen gefegt.“(J. Dewey. Erfahrung und Natur. S. 72)

Nicht erst unter diesem Blickwinkel ist der -Begriff- des „(A)bsoluten“ - Seins, Wissens, Subjekts etc.- und ein damit eingegangener „fusionshafter Pakt“(A. Badiou)6 , wie es Michel Foucault in „Archäologie des Wissens“) in einer Generalthese fordert: in „frage zu stellen“7 und diese etwa durch „reflexive Kategorien“(ebd. S. 35) zu ersetzen, zu denen Foucault als relativ(!) „junge Kategorie“(ebd.) -neben der „Literatur“(ebd.)- offenbar die „Politik“(ebd.) zählt.

Zu entrümpeln wären so nach Foucaults diskurstheoretischer Absicht hingegen sämtliche, Foucault:“Begriffe der `Mentalität´ oder des `Geistes´, die die Feststellung einer Sinngemeinsamkeit, symbolischer Verbindungen, eines Spiels der Ähnlichkeit und der Spiegelung zwischen den gleichzeitigen oder sukzessiven Phänomenen einer Epoche gestatten oder als Einheits- und Erklärungsprinzipien die Souveränität eines kollektiven Bewußtseins aufkommen lassen.“(M. Foucault. Archäologie des Wissens. S. 43)

Es ist wichtig, hier festzuhalten, daß diese anti-metaphysische Begriffs-“revolution“ Foucaults in schematischer Hinsicht geschieht, für die keine -imaginäre- „Einbildungskraft“(I. Kant) zum Einsatz kommt und auch nur dazu bestimmt ist, mittels einer formalen Analyse -andere- „thematische Begriffe“(J. Derrida)8 und deren immanente Veränderungen wie z.B. am -Thema- der „(darwinistischen) Evolution“(ebd. S. 54) zu thematisieren.

Nicht mit dem Ziel einer -besseren- politischen(etc.) Realität, nicht mit dem einer Verflüssigung des „Absoluten“ (Anderen, Systems) im „Bewußtseinsstrom“(E. Husserl) oder einer „siegreichen“ Assimilation(J. Derrida) der Andersheit in der „Evolution“, sondern eines „(absolut) friedlichen“(Derrida, S. 194) Diskurses und seiner inneren „Ökonomie“(ebd.) soll sich das un-thematische „Spiel des Selbst“(ebd. S. 192) und des „absolut“ Anderen im, Derrida:“Sinn einer spielerischen Tätigkeit oder im Sinn einer Verortung in einer Maschine(sic) oder in einer organischen Totalität, die spielt und wirkt“9 entfalten.

Oder man „gliedert“(Foucault, S. 55) einen -(„einheitlich begrifflichen“, Foucault), thematischen- Diskurs beispielsweise ausgehend von zwei -absolut- verschiedenen „begrifflichen Spielen“(ebd.) und -ökonomischen- Arten der „Analyse“(ebd.) auf wie etwa derjenigen der „Physiokraten“(ebd.), die völlig verschieden ist von derjenigen „Ricardos“(ebd.), ohne diese zu „spalten“ oder zu „vereinheitlichen“. E.B.