(copyright) Elena Becker . Materie-Raum. S. 147ff. Berlin. 2018
Der Historische Atlas Bayern (HAB, Altbayern) erweist sich als eine wahre Fundgrube, um weitere Klarheit in die eigene Familienforschung (Familie Hag-l) zu bringen.
Ein Schlüsselbegriff sind die (sog.) Barschalken, die seit dem 11./ 12. Jahrhundert insbesondere im Raum um Bad Aibling, ebenso aber in Parleiten (bei Pfaffenhofen/ Ilm) nachgewiesen sind, dessen Ortsbezeichnung sich direkt von dem genannten Stand der Barschalken ableitet.
Ursprünglich handelte es sich bei diesem Personenkreis um ehemalige (sog.) „Herzogsfreie“, die im „Ballungszentrum“ des Adels um Bad Aibling saßen und, verwandtschaftlich eng miteinander verbunden, aus der Familie der „Huosi“ oder (bzw.) „(F)agana“ hervorgegangen waren.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen wiederum die um 800 im Raum Tegernsee, Schliersee, aber ebenso um Aibling begüterten „Brüder“ Rodunc, Adalunc, Otakir und Maxlrain, die, einige Generationen später d.h. um das 11. Jahrhundert der (dieser) „bekannten“ Beschreibung nach unter dem Namen „von Hag“ in Baumburg u.a. aufgetreten sind.
Der „Aiblinger“ Adel entfaltete wohl ein myzelartiges Verwandtschaftsgeflecht von Aibling über München bis Dillingen (!), wo sie vermutlich mit den dortigen „von Hag-el“ identisch sind, was sich anhand des von R. Münch erstellten „Personen“-Verzeichnisses (m.a.W. Stammbaum) der Familie „de Haga“ deckungsgleich nachweisen d.h. mit mit einem Konrad v. Hag-el in Übereinstimmung bringen läßt.
Die Barschalken waren also Abkömmlinge älterer Adelsfamilien, die auf den Gütern um das (sog.) Königsgut in Bad Aibling ansässig waren.
Aus einem „gemeinsamen Interesse“ (HAB) allerdings überließ dieser dortige Adel der Kirche Bad Aibling großzügige Schenkungen, auf denen diese als „Herzogsfreie“ oder Barschalken verblieben und an diese „Hufe“ entweder gebunden waren und (oder) den (sog.) „Zehnten“, ab 804 an die Freisinger Kirche entrichteten.
Der Hintergrund für diese Entscheidung mochte auch in dem „parteipolitischen“ Betreiben eines gewissen Freisinger Bischofs Arbeo (ca. 734), der zu den Gegnern des fränkischen Herrschers zählte, gelegen haben, der die Besitzungen um Bad Aibling dem Kloster Tegernsee übergab.
Dies hatte die „faktische“ Enteignung des dortigen Grundadels zur Folge, der nicht damit rechnen konnte, daß ihm seine zu Lehen vom Frankenkönig überlassenen Güter erhalten blieben.
Als Reaktion darauf könnte der Entschluß der „Herzogsfreien“ gefaßt worden sein, sich und ihre Besitztümer durch die freiwillige „Schenkung“ an die Kirche von Bad Aibling abzusichern.
An dieser einmal entstandenen Situation konnte auch die Intervention des Herzogs „Arnulf des Bösen“, der mit diesem Beinamen belegt wurde, weil er die vorher geltenden Grundrechte wieder herstellte(!), in manchen Fällen vielleicht nichts mehr ändern.
Dies entsprach einem, für heutiges Verständnis, schwer nachvollziehbarem Privileg, der dem „Freien“, im Gegensatz zum „Unfreien“ vorbehalten war, bei dem es sich vielmehr um „Leibeigene“ handelte.
Man muß sich dabei vergegenwärtigen, daß der auch in Österreich nachweisliche Stand der Barschalken ursprünglich von einer privilegierteren (Ur-)Adelsgruppierung, die durch die „Decimatio“, also den Zehnten, den diese entrichteten, zu einem „de jure“ Paradefall des Feudalrechts und der damit verbundenen „Unterdrückten“ degradiert wurden, was mit dem faktischen Standesverlust einherging.
Eine „Zäsur“ zwischen herzoglichem Schenkungs- und späterem Fiskalgut und solchem, der vom „Adel“(!) stammte, verlief exakt entlang der „cometia“ von Bad Aibling, womit sich die „herzogsfreien“ Barschalken später auf den westlichen Raum links des Inns, die herzoglichen Fiskalgüter auf den Teil rechts des Inns verteilten.
Die -historischen- Merkwürdigkeiten, die direkt mit der bajuwarischen Einwanderungs- und Besiedelungsgeschichte in Verbindung stehen, reißen damit nicht ab.
Die mehrfach gleichen Ortsnamen, die sich um Bad Aibling und München etwa finden, nämlich Germering, Pfaffenhofen(!), Pullach und Parsberg und auch in einem Pfaffenhofen (Glonn) vorliegen, lassen Rückschlüsse auf eine, an den Römerstraßen sowie an der (sog.) Salzstraße entlang verlaufene Besiedlung zu, bei denen „Ministeralen“, die wie die Barschalken eher aus altem Adel waren, auf den dazwischenliegenden (sog.) „Burgställen“ (= Burg) wie bei Parsberg/ München saßen bzw. vermutet werden.
Dieses trifft auch auf die bei Dillingen auf der Burg „Hagel“(!), die ihren Namen wohl eher nicht (wie vermeintlich) von einem Burg-“hügel“ bezog, lebende Adelsfamilie von „Hagel“ zu.
Diese -lautsprachlich- leicht abgewandelte Namensform ist auch aller Wahrscheinlichkeit der Name eines „adligen“ („Selbst“-)Eigentümers einer bei Aibling befindlichen, später in „Heiglmühle“ umbenannten Mühle, die tatsächlich wie „Lehen“ an Adlige vergeben wurden.
In dem als „Adels“-sitz verzeichnetenPfaffenhofen bei Rosenheim (!) wiederum konnte ein „Hagl“ eine nicht geringe Fläche von 2/ 3 sein eigen nennen(!).
Das scheinbar weitab liegende Parleiten, in dem sich ein „Haglhof“ befindet, gehörte trotz allem Anschein auch (ursprünglich) zu den Bad Aiblinger, von herzogsfreien Barschalken in erbpachtfähigem Besitz gehaltenen Gütern.
Diese Annahme läßt sich auch nicht zuletzt über die Besitzverhältnisse der Familie „Oeder zum Hag“ stützen.
Zudem befleißigte sich das Scheyrer Kloster auch durch vielfachen Tausch mit Liegenschaften, die sich um Bad Aibling herum befanden, was jedoch in diesem Fall keine zwingende Annahme darstellt.
Man kann eher davon ausgehen, daß diese Gebiete ebenfalls zum Einzugsgebiet des „Tegernseer“ Adels, also der „Huosi“ und genauer der ab 800 auftretenden „Otachen“, den späteren „von Hag“ zählten, die erst ab 989 mit diesem -auf „Ha(a)g am Inn“ bezogenen „Familien“-namen in Erscheinung traten, zuvor aber generell nur mit den Vornamen „vollgültig“ zitiert werden.
Es spricht aber einiges dafür, daß der eigentliche „Uradels“-name (Hac/s, Hag-el) von den Stammesnamen der eingewanderten Agilolfinger herrührt, wofür die Historiker des 19. Jahrhunderts Nachweise und die beste Referenz liefern.
Daß der übergreifende Name „Agilolfinger“ aus dem Lateinischen stammen soll und -zu deutsch- so viel wie „bewegliche Schiffs(!)-truppen“ an Land(!) bedeuten soll, ist auf die überschüssige Phantasie von Lateinlehrern zurückzuführen und nicht zuletzt ein Beispiel für fehl gehende „Bedeutungstheorien“ und daraus interpretierten Namens-Herleitungen.
Trotzdem müssen bedeutungsmäßige „Zusammenhänge“ nicht gänzlich über Bord geworfen werden, wie u.a. an der Namensform „Hack(-)“ erläutert werden kann: tatsächlich existiert ein neben der Familie (Oeder) von Hag bei dem Familienbiografen Maximilian von Einziger aufgelisteter Familienzweig, der in der Schreibweise von Hack(!) festgehalten ist.
Dabei spielte eine nicht untergeordnete Rolle, daß die eingewanderten Adelsfamilien ihr Selbstverständnis auch von den umfangreichen Rodungsmaßnahmen um Bad Aibling (u.a.) gewannen und sich damit -wie mit den gegründeten Ortschaften (hag etc.) - identifizierten.
Nicht zuletzt galt es aber, gerade wegen der etwa über die Grafen von „Diessen“ nachweislichen Verwandtschaften um Aibling, sich durch die Ortsnamen (z.B. Dießen) voneinander zu unterscheiden, während sie über die Vornamen oft verwechselt werden konnten, die besonders häufig unter „Vettern“ vorkommen. Einer dieser Namen ist „Siboto“ (II), der, wenn nicht (lat. necnon) ein Graf Siboto von Falkenstein (!), der um 1280 in Aibling die richterliche Vogtei innehatte, ein („sive“, lat.) „Siboto (II.) von Hag“ war, der um 1258 in Scheyern genannt wird, in einer denkwürdigen „Formel“: Herzog Ludwig der Strenge „gibt(!) den Siboto an das Konvent in Scheyern“, heißt es in den Monumenta Boica. R. Münch weist nach, daß der (ein) Siboto von Hag(!) ab 1280 in Gefangenschaft geriet.
Die Gründe hierfür, einen in Scheyern 1258 hochoffiziell bestallten Richter(?) später gefangen zu nehmen, bleiben mysteriös. Es sei denn, es läge eine „Personalunion“ zwischen diesen beiden „verschiedenen“ Personen vor: einem richterlichen Ministerialen namens Siboto von Hag und dem seit geraumer Zeit in der „Opposition“ mit Herzog Ludwig befindlichen Grafen Siboto von Falkenstein, der sich nach dieser Bad Aiblinger Grafschaft benannte. Aus den Quellen des „HAB“ ist über diesen Grafen von Falkenstein so viel gewiß, daß er -abgesehen von seiner eigenen Grafschaft, die über die Gerichtsbarkeit verfügte- auch in Bad Aibling das Amt als richterlicher Vogt ausübte, also durchaus ebenfalls als Richter an anderen Orten außerhalb Falkensteins fungierte.
Im Rahmen der „Villikationsrechte“ hätte Siboto von Falkenstein auch beispielsweise in Scheyern dazu „berufen“ werden können- von einem ranghöheren Adelsvertreter wie Herzog Ludwig zumal.
Über das Ende Sibotos II.(!) von Falkenstein (von Hag?) sind weder die genauen Umstände, noch das Datum seines Todes bekannt.
Siboto von Falkenstein, der ein „Parteigänger“ der rivalisierenden Adelsdynastie Andechs- Meran war, geriet wohl in das Kreuzfeuer mit dem bayerischen Herzog, der nur allzu gern die Grafschaft Falkenstein seinem Besitz einverleiben wollte, was diesem schlußendlich auch gelang.
Elena Hagl Becker
: HAB Band Bad Aibling und Hoheneck, S. 37; S.18; S.32;S.36;S.57f HAB Rosenheim, S. 117;S.20;S.15 HAB Pfaffenhofen-Wolnzach; S.6, S.7