Elena Becker MA

Die formale Ordnung oder: Strategie-Logik

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Die Tatsache, daß der auf die israelische Botschaft in Deutschland geplante Anschlag nur aufgrund des Hinweises einer -ausländischen- Nachrichtenorganisation vereitelt werden konnte, löst Kritik an den deutschen (Sicherheits-)Institutionen und deren (fehlendem) Erkenntnisstand aus.

Weil in Rostock eine Nato-Einheit stationiert wurde, wurde in Rußland der dortige deutsche Botschafter ein beordert.

Nach Ansicht Rußlands verstößt die Stationierung gegen den (sog.) „2+4“- Vertrag. Gleichzeitig schloß Rußland mit Nordkorea einen „strategischen“ Sicherheitsvertrag.

In der Ukraine sollen bereits Soldaten aus Nordkorea eingetroffen sein, um die russischen Truppen zu verstärken.

Die „EU“-Länder warnten Nordkorea wegen Verstoßes gegen das „Völkerrecht“.

Der deutsche Bundeskanzler O. Scholz sicherte der „Wirtschaft“ zu, das (sog.) „Lieferkettengesetz“ abzuschaffen sowie dazu u.a. vom „IWF“ angemahnte Verwaltungshürden abzubauen.

Mit knapp über 50% fiel eine Volksabstimmung in „Moldau“ zugunsten eines „prospektiven“ EU-Beitritts aus.

Eine für den -formal- angebahnten EU-Beitritt Moldaus (determinale) Vorentscheidung wurde nicht erst im Verfahren eines -“demokratischen“- Mehrheitsbeschlusses erzielt.

Denn die -mathematische- Bestimmung der „Mehrheit“, die keine „absolute“ Mehrheit repräsentiert und diese „notwendige“ Bedingung erfüllen muß, genügt damit im voraus einem „formallogischen“ Apriori und („Mindest“-)Forderung, die sich nur auf eine „einfache“ Mehrheit begründet.

Was u.a. von dem Diskurstheoretiker J. Habermas im Hinblick auf die deutsche Wiedervereinigung als „normativ gewollter Akt“1 bezeichnet und -diskurstheoretisch- postuliert wird, ist erst der -zweite- Akt einer vorausgehenden Einigung auf die regulativen Prinzipien einer „formalen Logik“(H. Marcuse)2, die einer mathematischen „Ordnung“(ebd.), nicht einer „rationalen“ Begriffslogik entspricht.

Daß darüberhinaus der Anteil der im Ausland lebenden Moldauer den entscheidenden Ausschlag für einen EU-Beitritt gab, liefert einen zusätzlichen, eher demoskopischen Aspekt, der das Ergebnis -mathematisch- „erklärt“.

Als bloße nicht-mathematische (Wahrscheinlichkeits-)Aussagen oder -reine- Statistiken hätten diese Propositionen (Foucault) nur einen „hypothetischen“, z.T. zweckinstumentalen oder -als Elemente einer (Sicherheits-)Dispositivs (M. Foucault)3 : „strategischen“(ebd.) Stellenwert und Funktion.

Zumal mit einem „skeptischen“ Vorzeichen und Reflexionsabstand können solche propositionalen („logischen“) Aussagen entweder eine -mit C.S. Wright4- normativ leitende Funktion erfüllen, die bei einem „Auswahlvorgang“(ebd.) wirksam wird oder -unter dem gleichen „taxinomischen“ Blickwinkel- in ihrem „repräsentativen“ Status angezweifelt werden kann.

Je nach dem heißt also: nicht nur subjektiv, sondern in einem -bestimmten- zeithistorischen o.ä. Kontext, wie eine Aussage J. Habermas´ in „Vergangenheit als Zukunft“ belegen soll.

Zu diesem Zeitpunkt und „Thema“ der deutschen „Wende“ von 1989/90 äußerte Habermas seine Skepsis in Bezug auf die Aussagekraft von, Habermas:“Übersiedlerzahlen“(Habermas, S. 60), also denjenigen Zahlen von „DDR“- Bürgern, die zu dieser Zeit massenhaft nach Westdeutschland flüchteten.

Entgegen einer -nach Habermas´ Worten- „Legende“(ebd.) einer in Art und Weise „alternativlos“ verlaufenen Wiedervereinigung vertrat Habermas die Auffassung, Zitat:

“Die (drei) wichtigsten Argumente, auf die sich die Legende stützt, halte ich für falsch, mindestens für anfechtbar. Zunächst das Argument der Übersiedlerzahlen: diese waren gewiß ein Stück Realität, oder sie wurden auch benutzt. Bei einer realistischen Hochrechnung hätten sie ihre abschreckende Dramatik(sic) verloren. Denn heute wandern vermutlich(!) ebenso viele qualifizierte Arbeitskräfte in den Westen wie vor der Währungsunion. Zur Zeit spricht(!) man von 20.000 Übersiedlern im Monat.“(J. Habermas. Vergangenheit als Zukunft. S. 61)

Die -logische- Konsistenz der -mehr oder weniger „exakten“- Aussage hängt hier stark von -zeitrelationalen- Hinzufügungen ab wie: „zur Zeit“ oder „jetzt“(ebd. S. 61), die nicht nur eine -zeitlich veränderliche- Komponente einführen, sondern so das „Kräfteverhältnis“(Foucault, S. 123) der -diskursiven- Aussageformation in eine bestimmte, aktualisierte Bedeutungsrichtung lenken.

Daß es sich in der Aussage Habermas´ um ein argumentatives Kräfteverhältnis handelt, in dem der gravitationale Schwerpunkt auf die Zeitrelation gelegt wird, impliziert zudem, daß die „diskursive Formation“(Foucault, S. 122), wie Michel Foucault in „Dispositive der Macht“ präzisierte:“wesentlich strategischer Natur ist“.(M. Foucault. Dispositive der Macht. S.122)

„Ich habe gesagt“, antwortete Foucault in „Dispositive“,

„daß das Dispositiv“(ebd.), das Foucault anstelle des in „Die Ordnung der Dinge“(u.a.) verwendeten Terminus „diskursive Formation“ zum Begriff wählt, „wesentlich strategischer Natur ist, was voraussetzt, daß es sich dabei um eine bestimmte Manipulation (sic) von Kräfteverhältnissen handelt, um ein rationelles und abgestimmtes Eingreifen in diese Kräfteverhältnisse, sei es , um sie in diese oder jene Richtung auszubauen, sei es, um sie zu blockieren oder zu stabilisieren oder auch nutzbar zu machen u.s.w.“. (M. Foucault. Ebd. S. 123)

Damit fällt dem -aussagenformatorischen- Dispositiv auch eine eher, von Foucault attribuierte: „institutionale“ und spezifisch „disziplinierende“(ebd. S.122) Rolle zu, die es Foucault ermöglicht, den diskursiven Begriff auf soziale, institutionale, politische etc. Dimensionen und Formationen auszudehnen, die nicht in erster Linie der „Ordnung des Sagbaren“(G. Deleuze. Der Faden)5 angehören.

Wie Gilles Deleuze in „Der Faden ist gerissen“(S. 128) erhellt, trägt Foucault damit auch einer -“epochalen“- Zäsur Rechnung, die sich bereits im 19. Jahrhundert ereignete und insbesondere mit einer tiefgreifenden Veränderung im „strategischen“ Bewußtsein der „Bourgeoisie“(ebd.) einher ging.

Im -bürgerlichen- Denken des 19. Jahrhunderts bereitete sich nach Foucaults Überzeugung die „politische(n) Aktion“(ebd.) und -die Logik- der „Strategie“(ebd.) vor, die im -strategischen- „Dispositiv“ einen -Deleuze- „neuen Typ von Realität“(ebd.) schuf, der keine „geschichtliche“, sondern eine gesellschafts-politische „Angelegenheit“(ebd.) zum „funktionieren“ bringt.

Ein Zitat Deleuzes aus Foucaults „Mikrophysik (der Macht)“ soll diese -semantische- Neuausrichtung verdeutlichen, (Foucault:)

“Die Logik des Unbewußten muß durch eine Logik der Strategie ersetzt werden. Anstelle der Bedeutung und der Verkettung ihrer Träger muß den Taktiken und ihren Ordnungen und Gliederungen der Vorrang eingeräumt werden.“(M. Foucault zit. n. G. Deleuze. Der Faden ist gerissen. S. 128)

Die Umdisposition von der „Ordnung des Sagens“(ebd. S. 129) auf die der -Logik- der „Strategie“ vollzieht sich allerdings -konkret- in der Fusion und „Verbindung“(ebd.) dieser -heterogenen (ebd.)- „Formtypen“(ebd.), die die -Ordnung- des Diskurses mit derjenigen des „Tuns“(ebd.) verflechten und -gegenseitig- interdependent machen, ohne die eine „Ordnung“ auf die andere, Deleuze:“reduzieren zu können“(ebd.S.129).

„Daher“, setzt Deleuze hinzu,

„sagen die Aussagen alles, was sie sagen können und verbergen nichts, handelt es sich um vollkommen zynische(!) und transparente Aussagen. Dennoch gibt es Dinge, die nicht gesagt werden können, nicht im moralischen Sinne, weil sie uneingestehbar wären, sondern im physischen Sinne, weil sie nicht zur Ordnung des Sagens gehören: sie können nur getan werden und existieren nur in diesem Modus,...“(ebd.)

. Gleichzeitig soll diese -heterogene und formatorische- Verbindung auch den -soziografischen- „Ort“(Foucault. Dispositive, S.121) eines „doppelten Prozesses“(ebd.) abgeben, in dem sich die, Foucault:“Prävalenz einer strategischen Zielsetzung“(ebd.), die Foucault auch „funktionale Überdeterminierung“(ebd.) nennt, mit einer -Foucault- „strategischen Wiederauffüllung“(ebd.) verkoppelt.

Dabei hatte Foucault sehr distinkte „Milieuformationen“(Deleuze, S. 120) und zugehörige -“heterogene“- Aussagen(-Inhalts-)fomationen(ebd.) vor Augen, die für ihn nicht nur exemplarisch sind, sondern paradigmatisch gelten und von „Schulen“ über „Gefängnisse“ bis „Armee“ reichen.

Bei der formatorischen und „materialen“ Produktion solcher nicht-diskursiver Formationsverbindungen oder -Deleuze- „soziale(r) Maschinen“(Deleuze, S. 123) hat, kommentiert Deleuze:

„(Z)weifellos das Gefängnis lange Zeit die Rolle eines Modells gespielt, insofern es das Diagramm(sic) in exemplarischer Weise verwirklichte und als `Relaisstation in einem allgemeinen Netz der Disziplinen...´ diente. Der Triumph des Gefängnisses rührt nach Foucault nicht von einer Evolution oder Veränderung der Aussagen der Strafjustiz her, sondern beruht auf dem Disziplinardiagramm auf der gesamten Disziplinartechnik, die das Gefängnis in besonderer und intensiver Weise zum Einsatz bringt.“(Deleuze. Der Faden. S. 122)

Ebenso aber legte Foucault den Fokus auf das -Modell- des „psychiatrischen“ Einschlusses wie -allgemein- den (aussagenlogischen) „Diskurs“(Foucault. Dispositive, S. 120), der nach Foucault:“bald als Programm einer Institution“(ebd.) erscheint,

„bald... als ein [diskursives, informales] Element, das es erlaubt, eine Praktik zu rechtfertigen und zu maskieren,..., oder es kann auch als sekundäre Reinterpretation dieser Praktik funktionieren, ihr Zugang zu einem neuen Feld der Rationalität verschaffen.“(Foucault, ebd. S.120)

Damit übernimmt der „Diskurs“ für Foucault die -J. Habermas („Erkenntnis und Interesse“)- „Deutungsarbeit“6 des psychoanalytischen Analytikers (ebd. S. 263), die ihrerseits am -Modell- der „Auslegung symbolischer Zusammenhänge“(ebd.) wie der (philologischen) „Hermeneutik“(ebd.) orientiert war, ohne aber erneut das -Feld- der „Selbstreflexion“(ebd.S. 261) zu betreten.

Dafür bleibt im -Schema- des Diskurses das antike Modell der „polis“(gr. Stadtstaat) erhalten, die, von Platon bis I. Kant, die -“aktive“- und vernünftige „Teilnahme an der Beratung über [politische etc.] Erwägungen“(R. Rorty)7 zur -conditio sine qua non- einer -mehr oder weniger- exklusorischen „Zugehörigkeit zur... Gemeinschaft“(ebd.) deklarierte, in der aber, wie J.-F. Lyotard („Intensitäten“) bemerkte, die „Konfiguration der Polis“8 auf den „Kreis der [diskursfähigen] Sprecher“(ebd.) begrenzt war, die, Lyotard:“dem barbarischen Außen den Rücken zukehrt(en)“.( J.-F. Lyotard. Intensitäten. S.72)

Die, mit J. Derrida („Die Schrift und die Differenz“): „Kohärenz der Rede“9 blieb so an den -Ort- der „Polis“ und der „Versammlung“(Lyotard, S. 72) gebunden, bevor sie die -sprachlichen und mathematischen- Begriffe zu einem -Marcuse- „kohärenten logischen System“(Marcise, S. 153) stiftete, das für die, Marcuse:“allgemeingültige Ordnung des Denkens“(ebd.) vor wie nach I. Kants Transzendentalismus zum Vorbild diente und dazu, die „Denkweisen“(ebd.) den -formatorischen- Bedingungen der gesellschaftlichen „Umgebung“ zu homologisieren.

Im Hinblick auf eine derartige -formale, thematische, diskursive- „Kohärenz“ eröffnet sich für Jacques Derrida („Die Schrift und die Differenz“) nur die paradoxale Situation einer an den -Ort- der „Selbstreflexion“ und gleichzeitigen „Achtung des Anderen“(Derrida, S. 171) gebannten und daraus zugleich „verbannten“(ebd.) -sprachlichen- „Metaphora“(ebd.) des Begriffs (Logos), der darin ein „unbegrenztes“ Entwicklungspotential „diasporisch“ zur Entfaltung bringt.

„Wenn man“, hebt Derrida an,

„in der Sprache der Totalität den Überstieg des Unendlichen über die Totalität aussprechen, wenn man den Anderen in der Sprache des Selbst bezeichnen muß, wenn die wahre Äußerlichkeit als Nicht-Äußerlichkeit, das heißt immer noch in der Struktur des Innen-Außen und in der Raummetapher gedacht werden muß, wenn man die ruinierte Metapher noch bewohnen und mit den Fetzen der Tradition... bekleiden muß, so heißt das unter Umständen, daß es keinen philosophischen Logos gibt, der nicht gezwungen ist, sich zunächst in der Struktur des Innen-Außen expatriieren(sic) zu lassen.“( J. Derrida. Die Schrift und die Differenz. S. 171)

Solange der „Logos“ noch an die „Ordnung des Gesagten“ gebunden ist und im zugehörigen Medium und Element der Sprache aufhält, muß er sich also dazu paradoxal verhalten, was sich nicht nur auf die „Beziehung“ zum „Anderen“ und die -räumliche- „Innen-Außen“- Struktur auswirkt, in der der „Logos“ externalisiert ist, sondern auch auf das Verhältnis von „Sprache“(Medium) und sprachlicher Aussage („message“).

Wie schon im (sog.) „Kausalschema“(N. Luhmann)10 treten dann in die „Umwelt“ oder das „Außen“ externalisierte „Zurechnungsprobleme“(ebd.) auf und offen zutage, die -wie der „Diskurs“(Lyotard, S. 74)- den „Effekt“(ebd.) der „Verantwortung“(ebd.) nach sich ziehen, weil sie so überhaupt erst -mit G. Bateson (Luhmann, S. 62)- vom sprachlichen Medium und Milieu zu diszernieren sind.

Allerdings kann diese „Information“(message) nur als solche „gewertet“ werden, wenn sie -innerhalb eines (sprachlichen) Bewußtseins, Gedächtnis-Systems o.ä. - als abweichend, „irritierend“ empfunden wird, die Information also ein -partikulares- Bestandteil eines -Luhmann („Gesellschaftsstruktur und Semantik“)- „operativ geschlossenen Systems“(Luhmann, S. 166) bildet und in dieses implementiert ist.

Dies wird in der „Kognitionstheorie“11 u.a. im -Paradoxon- der neuronalen „Repression“(ebd. S. 164) registriert, die in der -neurophysiologischen- Informations- und Kognitionstheorie die -ältere „philosophische“- Theorie des „Bildes“ von Hyppolithe Taine12 ablöst, die noch nach dem -darwinistischen- Explikationsmodell des „struggle for life“(J.P. Sartre, Transzendenz, S. 182) konzipiert war.

Während bei Teine die -Theorie- der „Bilder“ in ein „antagonistisches“(ebd.) Verhältnis verwickelt blieb, das J.P. Sartre in „Transzendenz des Ego“ auch treffend als „Restriktion“(ebd. S. 183) beschreibt, scheint die „Repression“ für diejenige Empfindung einer, Th.W. Adorno:“Ahnung objektiver Negativität“13 präformiert, die es zu „übertäuben“(Adorno, ebd.) gilt, nämlich durch die, wie Adorno in „Negative Dialektik“ schreibt: “Botschaft von Ordnung an sich“. (Th.W. Adorno. Negative Dialektik. S. 97) E.B.