Elena Becker MA

Das hyperbolische Spiel oder: die (allgemeine) Situation

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Nach der Wahlschlappe in Thüringen, die der SPD deutliche Stimmeneinbußen bescherte, ging Bundeskanzler O. Scholz (SPD) gegenüber der „Afd“ unmißverständlich auf „Distanz“.

In einer Rede lehnte es Scholz ab, sich -Zitat- an die Afd zu „gewöhnen“.

In der strittigen „Migrationsdebatte“ brachte CDU- Chef F. Merz den Vorschlag ein, Flüchtlinge in den nächsten 3 Monaten „probeweise“ direkt an den Grenze abzuweisen, um damit weitere Flüchtlingsströme effektiv abzuhalten.

Auch in einem -ersten- TV-Duell zwischen dem „republikanischen“ US-Präsidentschaftskandidaten D. Trump und seiner -demokratischen- Kontrahentin K. Harris kam das Thema „Migration“ zur Sprache.

Zudem bekräftigte Trump erneut, über einen -absolut sicheren- Plan zu verfügen, den Ukraine-Konflikt „diplomatisch“ zu beenden.

In den Umfragen konnte Trump damit bei den Wählern aber nicht „landen“.

Dafür kann Harris u.a. der -zahlenmäßig großen- Unterstützung der US-amerikanischen Popsängerin (Taylor Swift) und ihrer „follower“ gewiß sein, während Trump (weiterhin?) von dem „Spaceex“-Unternehmer E. Musk unterstützt wird.

Der -wie auch immer- mit dem derzeit „angesagten“ Popstar T. Swift namensgleiche Literat Jonathan Swift ist in die Literaturgeschichte als Autor von politischen „Satiren“ wie -am bekanntesten- „Gullivers Reisen“ eingängig geworden.

Auf eine -politische- Aussage gebracht, handelt „Gullivers Reisen“ von -umgedrehten- Größen- und Raumverhältnissen, die, kurz gesagt, viele kleine Menschen in die Lage versetzen, einen einzelnen, gefesselten „Riesen“ gewaltlos nieder zu strecken, also „quasi“ zu stürzen.

Wenn man diese auf die sozialen Verhältnisse der Demokratie ersonnene „Parabel“ in die moderne, technologische Gegenwart übertragen will, weiß ein Unternehmer wie Spaceex-Gründer E. Musk -speziell- über jegliche Art von „Fall“-Situationen „absolut“ bescheid. Diese ergaben sich in den zahllosen, experimentellen „Probe“- Versuchen, bis es Musk endlich schaffte, seine Raketen wieder in die -umgekehrte- (Start-)Landeposition zu (trans-)ponieren.

Im- dimensionalen- Feld (Raum) des Sprachlichen bedeutet es aber selbstverständlich etwas völlig anderes, wenn man sagt, daß ein Sachverhalt „anders hingestellt“ wird.

Eine solche z.T. umgangssprachlich häufig angewandte „Gewohnheits“-)Praxis ließe sich -mit Richard Rorty („Wahrheit und Fortschritt“)- in etwa als „ironisches Theoretisieren“1 -“alternativ“- beschreiben, das aber gemäß Rortys eigener Erklärung weder dem Anspruch einer -metaphysischen- „Fundierung“(ebd.) im „Subjekt“(ebd.) noch -umgekehrt- eines „(metaphysischen) Objekts“(ebd.) gerecht zu werden behauptet.

Übrigens aber werden beide „Alternativen“- (metaphysische) Fundierung und „ironisches“ Theoretisierung- in J. Habermas´“Diskurstheorie“ gleichermaßen in das -“Spiel“- einer „Intersubjektivität“(ebd.) verlegt, das -umgekehrt- den („absoluten“) Fundierungsgedanken als (reduktionistische) „Verkürzung und Verzerrung“(ebd. S.447) verwirft.

Wirklich beschreibt Habermas´ Diskurstheorie statt in einer („Cartesianischen“) „Gewißheit“ (des „Cogito“; „Ich denke“) zu fundieren, die nach Worten J. Derridas die „Hyperbel“(J.Derrida)2 des „Wahnsinns“(ebd.) kontrolliert und die „Reduktionismen“ von Skeptizismus bis zur -Haltung- der „Epoché“(E. Hussserl) abstützt, so eine -parabolische- Normalkurve der perspektivisch in einem „Konsens“ übereinstimmenden Intersubjektivität.

Damit sind jegliche „Determinationen“ in Gesellschaft und Politik auf eine „axiomatisch“ gesehen: breitere Basis und „Boden“(E. Hussserl) der Intersubjektivität zurück gestellt, wie gleichzeitig in dieser über-individuellen (super-positionalen) „Existenz“ begründet.

Die -J. Habermas´ - Diskurstheorie verspricht so, das „Spiel“(Rorty, ebd.) der sich wechselseitig „überbieten“(ebd.) wollenden Philosophien zu beenden, in dem sich die -Hyperbel- des Cartesianischen Zweifels ebenso „wiederholt“(Derrida, S. 96) und fortsetzt wie, transferiert auf die Dimension der sich aneinander „messenden“(ebd.) politischen Mächte, -das Spiel- um militärische Auf- und Ab- Rüstung, „Sicherheit“ und die -reale- „Situation in der wirklichen Welt“(H. Marcuse. Der eindimensionale Mensch. S. 102).

Derartige -hypothetisch „durchgespielte“ und erprobte- Szenarien werden wirklich zwischen, worüber H. Marcuse in „Der eindimensionale Mensch“ berichtet, einer „blauen“ und einer „roten“(ebd.) Mannschaft arrangiert und -nach Regeln- ausgetragen.

Ein eingesetzter „Spielleiter“ überwachte und „moderierte“ das „Mannschafts“-Duell, das sich innerhalb der Koordinaten einer hypothetisch bestehenden „Weltlage zur Zeit des Spiels“(Marcuse, S. 101) inszeniert und abgehalten werden soll.

Die jeweils durch eine bestimmte „Weltlage“ bedingten oder darin variierenden „strategischen“ Determinationen der „Politik“(ebd.) können so beispielsweise die -Form- der sicherheitspolitischen „Abschreckung“(ebd.) annehmen, Marcuse:

“(B)ei unserem rein hypothetischen Spiel“, heißt es bei Marcuse, „besteht das Ziel von Blau darin, sich während des Spiels eine abschreckende Fähigkeit zu erhalten- das heißt eine Kraft, die auf Rot zurückzuschlagen(sic) vermag, so daß Rot nicht gewillt ist, einen Angriff zu riskieren.“(H. Marcuse. Ebd. S.101)

Auf das un-politische Paradigma der Cartesianischen Reflexion -zurück- übertragen, stellt sich dieses -konstellative- Verhältnis folgendermaßen dar (um), J. Derrida:

“In diesem Verhältnis zum anderen als anderem Es [soi; frz.] sichert sich der Sinn gegen den Wahnsinn und den Nicht-Sinn ab.“(J. Derrida. Die Schrift und die Differenz. S. 96)

Was sich geändert hat, ist der sprachliche Raum und die geschichtliche, situative „Bewegung des Temporalisierens“(Derrida, S. 98) in der sich der -Derrida- „Dialog zwischen der Hyperbel und der endlichen Struktur“(ebd.) zuträgt und, schreibt Derrida:“in einem anderen Sagen des Exzesses(sic)“(ebd.) reaktiviert (ebd.) werden kann.

Dieses konstellative, hyperbolische Verhältnis, das Jacques Derrida „Exzeß“ nennt, ist, wie Derrida zeigen will, in Edmund Husserls „Ideen“ bereits als ek-statisches Verhältnis angelegt, also, wie Levinas den „intentionalen“ Akt Husserls interpretiert: als

„Überborden der objektivierenden Intentionalität“.(J. Derrida. Ebd. S. 133, Anm. 13)

Der -Akt- der objektivierenden Erfahrung gründet somit für Levinas in einer ebenso inter-subjektiven wie „vor-objektiven Sphäre“(ebd.) des „Mitseins“(ebd.),

„die vollkommen hin auf das Andere aus sich austritt.“(J. Derrida, ebd.)

Nur unter der Prämisse einer solchen -strukturalen- Differenz oder „Alternanz“(Derrida) ist für Levinas die -transzendentale- Intersubjektivität (Husserl) überhaupt akzeptabel, wenn sich diese Intentionalität, die die Wahrnehmung eines „räumlichen Objekts“(ebd. S. 132) leitet, nicht darauf beschränken soll, -nur- den „Zugang zu dem, was das Sein des Gegenstands ausmacht“(ebd.) zu „erblicken“(ebd.).

Man könnte hinzufügen: solange es sich überhaupt nur beim -theoretischen und „wertenden“(Husserl; Derrida, S. 132) Erfassen der Objektivität um eine „eidetische“ Realität, m.a.W. die Objektivität des „Gesehenen“ handelt, also die -Sphäre- des (sog.) „Apollinischen“, das seit jeher im Griechischen zwei(mehr-)deutig aufzufassen ist.

Denn der -griechische- Gott „Apoll“ galt den Griechen sowohl als „Sonnengott“ wie als -Gott- des „Krieges“.

Darüber hat F. Nietzsche u.a. in „Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik“ belehrt. Der Schlüsselbegriff ist das mit dem „Sehen“ konnotierte, begehrliche oder mit I.Kant:„pathologische“3 Interesse, das in der „Ek-stase“ nach außen gerichtet, aus sich heraus tretend sein soll und sich – in der „Dramentheorie“ als distanzierter „Zuschauer“- gleichzeitig selbst „reflektieren“ soll.

In der -“Situation“(Derrida, S. 136)- der (sog.) „Ekstase“(ebd. S. 137), in der M. Heidegger das seins-ontologische „Existential“(Heidegger) des „Sorge“-verstehens paraphrasierte, will Levinas sich von der „Instanz des Blicks“(ebd. S. 136) und der -“Metapher“(ebd.) - des „Lichts“(ebd.) lösen, die im -platonischen- (Seins-)Denken zur -Nachahmung- der staatspolitischen „Ideen“ und Ideale anhält.

Schärfer drückt sich Jean-François Lyotard in „Apathie in der Theorie“ aus, der darin das -staatspolitische- Verhältnis zwischen (Partei-)Staat und „Bürger“ durch eine -einseitige- Verpflichtung auf eine verbindliche („Meister“-)Erzählung (Lyotard, ebd. S. 24) gegründet sieht, die den Bürger -an seinen Staat- „fesselt“(ebd.).

Die Erzählung entwirft und projiziert zugleich ein Szenario, das den Bürger in eine „narrative Pragmatik“(ebd. S. 23) verstrickt, in der er auf die Rollen und „Instanzen“ des Hörers (Zuschauers), Mit-Spielers und (Weiter-)Erzählers verpflichtet wird.

J.-F. Lyotard:“Unablässig zwingt der Partei-Staat die freien Bürger, nichts anderes zu sagen, zu hören und zu spielen als sein eigenes Szenario. Dieses mag sich ändern. Entscheidend ist, daß es zwingt, gleichviel wozu“.(ebd.)

Um dieses noch einmal zu konkretisieren, fügt Lyotard hinzu: „Als Bürger dieser Regime haben Sie zugleich als verantwortlicher Mitverfasser der offiziellen Erzählung zu figurieren, als ihr privilegierter Hörer und außerdem haben Sie die Rolle tadellos zu spielen, die darin für Sie vorgesehen ist. Sie werden also auf alle drei Instanzen der Meistererzählung zugleich verpflichtet und dies in allen Einzelheiten ihres Lebens.“(J.-F. Lyotard. Apathie in der Theorie. S. 24)

Dieses durch die „politischen Institutionen“(ebd. S. 25) mittels „programmierten Erzählungen“(ebd.) oktroyierte Verhältnis unterliegt, so will Lyotard glaubhaft machen, der strikten Geheimhaltung in Gestalt eines „Geheimbundes“(ebd.).

Weniger „politisch“ designiert als „gesellschaftlich“, also in Termini einer an (Über-)Identifikation orientierten („Mode“- etc.) Kultur verständlich gemacht, ließe sich hier auch von den inner-gesellschaftlichen Mechanismen und-“Spielen“(D. Bell)4 des „in- und outseins“(ebd.) oder des „Démodé“(ebd.)- Seins reden, das, wie D. Bell in „Die Zukunft der westlichen Welt“ erhellte, „durch das Spiel des ständig hinter jemanden Herziehens“(ebd.) ersetzt wurde.

In beiden -politischen oder „life style“- Varianten könnte das Nachlassen -Apathie- einer politisch „spannenden“ Ideenkultur Vakanzen hinterlassen, die zu einer permanenten „Reaktivierung“(Derrida) anregen oder einer -“alternativen“- Verschiebung ( „différance“; Derrida) der beiden „Formationen“(Deleuze) zugrunde liegenden („dynamischen“, Kant) Einschluß-Ausschlußschemas Vorschub leisten, das zumal in der Programmatik des „Individualismus“, -keine- „Zuflucht“(Lyotard, S. 25) mehr bereithält: das „Glückliche Bewußtsein“(Marcuse, S. 100) ist, mit Hegel: „bei sich“ oder nirgendwo.

Eine jedwede Formation ist, wie der Strukturalismus (G. Deleuzes) geltend macht, dabei jedoch nicht auf ein festes Struktur-Gebilde zu fixieren und darin -geometrisch o.ä.- zu begrenzen.

In „Rhizom“ zeichnet Gilles Deleuze überdies „De“- und „Reterritorialisierungsbewegungen“5 nach, die sich in allen „Schichten“(ebd.) einer -pflanzlichen, tierischen etc.- „Organisation“(ebd.) vorfinden und dazu tendieren, -“virale“- Vernetzungen („Verkettungen“, Deleuze) einzugehen und zu formieren, mit einem -gleich welchen- „ Außen“(ebd. S. 19):“mit dem Wind, mit einem Tier, mit dem Menschen“.(G. Deleuze. Rhizom. S. 19)

Die -geometrisch, („sprachlich“) regionalisierte- „Karte“(ebd. S. 21) ist, hält Deleuze fest:

“offen, sie kann in allen Dimensionen verbunden, demontiert und umgekehrt werden, sie ist ständig modifizierbar.“(Deleuze, ebd. S. 21)

Diese Situation ändert sich, sobald die „Deterritorialisierungslinien“ -psychoanalytisch- als „Wunschlinien“ kategorisiert werden und -von einer „Psychoanalyse“, die Deleuze:“wider Willen als Stützpunkt dient“(ebd. S. 25) in die Explikationsform einer „überkodierten Struktur“(ebd.) reduziert wird.

Es ist aber, ob strukturalistisch oder psychoanalytisch, nicht unmittelbar einleuchtend, weshalb es sich bei den -Deleuze- „Trieben und Partialobjekten“(ebd.) außer um „Performanzen“(ebd.) um „politische“(ebd.) Optionen und „Entscheidungen“(ebd. S. 24) handeln soll.

„Triebe und Partialobjekte“, kontert Deleuze,

„sind weder Stadien einer genetischen Tiefenstruktur, sie sind politische Optionen für Probleme, Ausgänge und Eingänge, Sackgassen, die das Kind politisch erlebt, das heißt mit der ganzen Kraft seines Wunsches“.(Deleuze, ebd.)

Politisch klingt es, wenn Deleuze geradezu exklamatorisch an einen Adressaten gerichtet sagt:

„Ob Entwicklungsphyse oder strukturales Schicksal- man macht euer Rhizom kaputt. Man läßt euch leben und sprechen- unter der Bedingung, daß alle Ausgänge verstopft sind. Wenn ein Rhizom verstopft ist, wenn man einen Baum (sic) daraus gemacht hat, dann ist es aus, dann kann der Wunsch nicht mehr strömen.“(Deleuze, S. 24)

Eine -politische- „Pragmatik“(ebd. S.25) setzt also, „wie die Intervention von Doktor Freud in einer Subjektivierung... ,die [die] Machtergreifung des Signifikanten garantiert“(ebd.) -den Wunschlinien „kartografische“ Grenzen auf.

Gibt es eine Möglichkeit, die -politisch oder psychoanalytisch- „neu geschaffene Subjektivität“(A. Badiou)6 statt -sich- „negieren“ zu lassen, zu „affirmieren“ und mit dem in die „Relativität“(Derrida, S. 137) oder das („eleatische“) „Nicht-Sein“(ebd.) gebannten „Ich-Selbst“(Badiou, S. 25) nicht zu identifizieren, sondern in Einklang zu bringen?

Dazu ist es aber, im Rekurs auf die -klassische- „Dramentheorie“, vielleicht besser, nicht an die -Grenzen- des „Wesens des Subjekts“(Rorty, S. 446) zu rühren, sondern -das Menschliche- umgekehrt zu „versinnlichen“, also „ästhetisch“ oder im Bild der Lukrez´schen „Metamorphosen“: in ein -denkendes, empfindendes- „Tier“(Badiou, S. 26) zu verwandeln.

Im Prozeß dieser „transformatorischen Umwandlung“(ebd.) kann das „Subjekt“ sich gemäß Alain Badious „Manifest für den Affirmationismus“ erneut als „transitorischer (individueller) Träger“(ebd.) mit der -universalen- „Idee“(ebd.) verbinden, die in ihm gleichzeitig vergänglich und „universelles Subjekt“(ebd. S. 27) wird.

In G.W.F. Hegels „Ästhetik“ ist es die -klassische- Musik, die etwa in den Werken Beethovens („Fidelio“), wie Ernst Bloch („Subjekt-Objekt“) formulierte: „den Handlungsraum (setzt)“(E. Bloch. Subjekt-Objekt. S. 289)

Oder erscheint der -existentialistische- Mensch, der nach Worten von J.-P. Sartre („Mythos und Realität des Theaters“) in einer Welt handelt und -unentwegt- „entscheidet“, die sein „eigenes Unternehmen“(ebd. S. 36) ist, nur wieder unter dem Aspekt des „reinen Seins“ und der allgemein-menschlichen „Situation“(ebd.), die ihn, mit Sartre:“seine Karten ausspielen“(ebd.) läßt und, J.-P.Sartre:“ein für allemal entscheide(n), ob er ein Tyrann oder Demokrat sein wird.“( J.-P. Sartre. Mythos und Realität des Theaters. S. 37) ? E.B.