Elena Becker MA

Die (politische) Linie oder: Staats-Idee

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Zum Ende seiner Amtszeit als US-Präsident hielt der Demokrat Joe Biden eine Abschiedsrede, in der er sich u.a. an die „militärischen“ Streitkräfte wandte.

Während Joe Biden in seiner Rede an die „Nation“ die Einkehr einer (sog.) „oligarchischen“ Regierungsform in den Mittelpunkt rückte, hielt er in seiner Rede vor dem Repräsentantenhaus dazu an, für die „Idee“ (der Integrität, Ehre) -nicht eine „Partei“- einzutreten.

Zuvor hatte die Regierung Bidens die verbliebene Zeit dazu genutzt, den von Außenminister A. Blinken angebahnten (Waffenstillstands-)“Deal“ zwischen Israel und der palästinensischen „Hamas“ abzuschließen.

Inhalt des Abkommens ist die Freilassung der israelischen Geiseln im Austausch gegen palästinensische Inhaftierte.

Die -künftige- Regierung D. Trumps verbuchte den Erfolg indessen für sich.

Im angelaufenen Wahlkampf in Deutschland stehen u.a. die Finanzierung des Gesundheitswesens sowie u.a. das (sog.) „Bürgergeld“ im Zentrum.

Nach dem Attentat in Magdeburg kamen über 2 Mio Euro an Spendengeldern für die Opfer zusammen.

Das (sog.) „Knistern im Gebälk“ des „Weißen Hauses“ ist unüberhörbar, das nicht auf eine äußere Einwirkung, sondern innere „Unstimmigkeit“(M.Foucault) im parlamentarischen „Drama“(ebd.) zurückzuführen ist.

Zwar geht der Machtwechsel an die neue republikanische Regierung D. Trumps reibungslos „über die Bühne“, die für das wiederholte Ereignis auf den -letzten- Akt des Amtsantritts (Trumps) frei gemacht wird.

Doch bereits der Kommentar, den D. Trump über den ausgehandelten „Nahost“-Deal „postete“, signalisiert eine Präferenz der „epischen“ Darstellungs- und Beschreibungsweise anstelle einer „dramatischen“.

Trump bezeichnete („prädizierte“) den Verhandlungsabschluß als „episch“, also im weiteren Sinne eines (sog.) „Heldenepos“, in dem neben der Figur eines „Helden“ auch eine zweite -subjektzentrierte- Perspektive eingefügt wird: die des Erzählers aus eigener Sicht.

Die Sichtweise des -solchen- Erzählers ist kontinuierlich in die fortlaufende Erzhählhandlung integriert und immanent, auch wenn er scheinbar nur die (Außen-)Position des neutralen „Beobachters“ einnimmt.

Im Gegensatz zur -epischen- Erzählung, in der sich die Perspektive des Erzählers mehr oder weniger „monologisch“ durchzieht, dabei -mehr oder weniger- von „Selbst-Reflexionen“ durchzogen ist, hält sich die dramatische „Theatralik“ an die klassische Form, die in -drei- Akte unterteilt ist und damit das dialektische Schema -These, Antithese, Synthese- vor strukturiert.

Die Personen und -unterschiedlichen- Charaktere, die in einem Theaterstück auftreten, sind in erster Linie „sichtbar“ werdende Aktuere und per-sonale „Sprecher“ einer „intelligiblen“, durch sie anschaulich werdenden „Handlung“.

Die Textform des -literarischen, philosophischen- Buches introvertiert die dem Theater nachempfundene, dis-kontinuierliche Dialogform, von der auch die -Dialoge- Platons durchgängig organisiert sind. In den post-modernen, seit F.Nietzsche verfaßten Text-“Collage(n)“(Foucault, ebd. S. 8) der philosophischen Literatur (G.Deleuzes u.a.) hingegen „treten“ sie in rezitierter Form als rekurrierende „Quellen“ und deren philosophische Autoren -wie Platon- wieder in der „Stimme der abendländischen Philosophen“(ebd. S. 9) „auf“.

Das Erscheinungsbild dieser Rekurrenz ist jedoch ein Arrangement des Vielgestaltigen, Widersprüchlichen und z.T. Parodistischen, das sich -“dramatisch“- darbietet, Foucault:

“Nie treten sie [Platon, Aristoteles, Kant, etc.] am selben Platz auf. Bald distanzieren sie sich als Komiker (sic) von ihrem düsteren Grund, bald sind sie ihm dramatisch nahe. Hier ist Platon der ... Weise, der die gemeinen Trugbilder verjagt..., welche(r) das eine Urbild spiegelt und anruft: jener Idee des Guten [Platon], die selber gut ist. Aber dort ist der andere Platon fast in Panik, weil er im Schaffen Sokrates (nicht) vom höhnenden Sophisten zu unterscheiden weiß.“(Foucault, S. 9)

Der auch in Platons Dialogen konstruierte, anscheinend geradlinige „Durchblick(s) durch klare Ideen“(ebd.) dient in diesen -Deleuzes u.a.- philosophischen Texten, die nach Foucaults Interpretation:“zur Bühne mit Personen und Zeichen geworden“(ebd. seien, nicht länger zur „eindeutigen“ Orientierung.

Eher wäre diese kontexturierende „Collage“-Form, wie sie Michel Foucault in seinem Beitrag „Der Ariadnefaden ist gerissen“ nennt, mit derjenigen -Methode- der Re-„Komposition“ Max Webers zu vergleichen, zu der Th.W.Adorno bemerkte:

“(Aber) es dürfte um die in Rede stehenden Kompositionen [Webers] ähnlich bestellt sein wie um ihr Analogon, die musikalischen. Subjektiv hervorgebracht, sind diese gelungen allein, wo die subjektive Produktion in ihnen untergeht. Der Zusammenhang, den sie stiftet -...-, wird lesbar als Zeichen der Objektivität des geistigen Gehalts.“(Th. W. Adorno. Negative Dialektik. S. 166).

Die -Hegels- „Supposition“(Adorno, S. 165), daß der -“Geist“(ebd.) gemäß Hegels präformierender „Dialektik“ den „Zusammenhang“(ebd.) stiftet, ist nach Adornos Deklaration, mittels solchen „konstellativen“ Verfahrens „nicht zu retten“(ebd. S. 165).

Die -darin- fehlende „Einsicht“(Adorno, S. 218), die Adorno im Kontext der „gesellschaftlichen Bedingungen“(ebd.), in der -durchgängigen- „Abhängigkeit“(ebd.) des („verwalteten“, Adorno) Individuums eruiert, „befördert“(ebd.) in der Individualgesellschaft, Adorno:

“das Vertrauen in die Autarkie des Subjekts“(ebd.).

Damit gelangt Adorno zum Stichwort „Ideologie“(ebd.) -des „Liberalismus“, Adorno:

„Ihr Inbegriff wird unterm Namen von Freiheit der Totalität alles die Totalität Einschränkenden kontrastiert... diese [Freiheit] (ist) vielmehr Moment im doppelten Sinn: nicht isolierbar, sondern verflochten,..., verstellt unter den gegenwärtigen [interdependenten, in-transparenten, Adorno] Bedingungen. So wenig die von der liberalen Ideologie ungemäß betonte Independenz des Individuums herrscht, so wenig ist jene höchst reale Trennung von der Gesellschaft zu verleugnen, die jene Ideologie falsch interpretiert.“(Adorno, ebd. S. 218)

Adorno ist nicht länger bereit, das „emanzipative“ Prinzip der „Aufklärung“ (I. Kants) in dem „monadischen“, ideologisch hypostasierten „freien“ Subjekt wieder zu erkennen, das er -zu recht- in seiner, Adorno:“fensterlosen Isoliertheit (jenen) Zusammenhang erst recht reproduzieren“(ebd.S.218) sieht.

Darunter aber kann -in Adornos kritischer Analyse- nicht mehr das G.W. Leibniz´sche „monadische“ Subjekt zu verstehen sein, das sich in einer „prästabilierten Harmonie“(Leibniz) mit dem Ganzen befindet und weiß, indem es dieses in einer -“geometrischen“- Linie „abbildet“. Damit schlägt sich der Bogen zurück zur Dramaturgie -Corneilles.

In „Die Schrift und die Differenz“ stellt Jacques Derrida über die in dessen -Corneilles- Dramen „Der Cid“ und „Polyeukt“ vordemonstrierte „Corneillesche Bewegung“(ebd.) fest:

“er [Corneille] scheint zu glauben, daß er bezüglich eines literarischen Werkes stets eine Linie finden muß, die, wie komplex auch immer, von der Einheit Rechenschaft gibt,...“.( J. Derrida. Die Schrift und die Differenz. S. 35)

Die -“präformierte“(ebd. S. 32)- Bewegung, in der nach Derridas Worten, die -“Erfahrung“(ebd. S.33)- der (sog.) „Entfremdung“(ebd.) mit einer „Intensivierung“(ebd.) der -“vertieften“(ebd.) Erfahrung verbunden und zugleich „erhöht“(ebd.) werden soll, formt Corneille nach dem Vorbild einer „erratischen“ Linie, die Leibniz in -allen- Gestalten und Formen einer „geometrischen Ordnung“ zuweisen zu können behauptete.

Zitat G.W. Leibniz:

“so sage ich [Leibniz], daß es möglich, eine geometrische Linie zu finden, deren Begriff nach einer gewissen Regel konstant und gleichförmig ist, dergestalt, daß diese Linie durch alle Punkte läuft und auch noch in derselben Ordnung, in der die Hand sie aufgezeichnet hat. Und wenn jemand in einem Zuge eine Linie zeichnen würde, die bald gerade, bald kreisförmig, bald von einer anderen Gestalt wäre, so ist es möglich, einen Begriff oder eine Regel oder eine Gleichung zu finden, die allen Punkten dieser Linie gemeinsam ist und kraft(!) deren eben diese Veränderungen auftreten müssen.“(G.W. Leibniz zit. n. Derrida, S. 35) Leibniz postulierte damit nichts weniger als ein „Abbild der göttlichen [kosmischen] Weisheit zu skizzieren..., von dem das ganze All abhängt.“(ebd.)

Die G.W. Leibniz´sche Geometrisierung einer -linear darstellbaren- Wirklichkeit findet ihr Analogon ihrerseits in der -idealisierten- „ewigen“ Form der platonischen Seinsidee.

Aller „qualitativen Prädikate“(A.Badiou) zunächst beraubt, aus denen sich eine „generische Mannigfaltigkeit“(Badiou, S. 31) durch den Umweg der („geometrischen“, „differenzierenden“) „Mathematik“(ebd.) restituieren soll, tritt das -komplexe- Phänomen des realen „Baumes“(ebd.) wieder in Erscheinung, wie es Alain Badiou in „Zweites Manifest für eine Philosophie“ und zuvor in „Das Sein und das Ereignis“ skizzierte, Badiou:

“Wenn ich [Alain Badiou] versuche, diesem Baum, den es vor mir gibt, zunächst die reale Präsenz in dieser Welt zu entziehen (seine Umgebung, den Horizont, die anderen Bäume, die nahe Wiese etc.) und dann die ineinander verworrenen Bestimmungen, die ihn vor mir als Baum bestehen lassen (die grüne Farbe,..., etc.), wird schließlich eine unendlich komplexe und aus anderen Mannigfaltigkeiten zusammengesetzte Mannigfaltigkeit übrigbleiben.“(A. Badiou. Zweites Manifest. S. 31)

Badiou setzt die platonische Ontologie (Seinslehre) nicht nur auf den Prüfstand. Er ergänzt die -surrogathafte- Seinsidee durch eine „Pragmatik ihres Werdens“(Badiou, S.116), in der Badiou seinerseits eine spezielle Deutung der -Platons- „Idee des Guten“(Badiou, S. 97) mit dem Ziel verbindet, das Michel Foucault in seinem Aufsatz „Theatrum philosophicum“ benennt: die

„Gefangenschaft zu lösen, in der das Ereignis (heute noch) liegt“. (M. Foucault in: Der Faden. S. 31)

Dazu ist es nach Badious Überzeugung erforderlich, den Weg über ein -pragmatisches- Subjekt und dessen verschiedene „Haltungen“(Badiou, ebd. S. 86) zu nehmen und -(platonisch:)- in Betracht zu ziehen, bei denen es sich -allesamt- um „neue Gestalten“(ebd.) der „Subjektivierungen (des Körpers)“(ebd.) handeln soll, in denen jeweils eine bestimmte -politische- „Linie“(ebd. S. 88) verfolgt wird. Badiou unterscheidet das „treue“(ebd. S. 86), das „reaktive“(ebd.) und das „obskure“ Subjekt, in denen Badiou „im Hinblick auf den subjektivierbaren Körper drei Typen des Subjekts bestimm(t)“(ebd.).

„Die drei subjektiven [Proto-]Typen“, erläutert Badiou,

„beteiligen sich in dem Ausmaß an der Neuheit, wie sie die Ausrichtungen bezüglich der Körper definieren. Alle drei sind Gestalten der aktiven Gegenwart, in der sich eine zuvor unbekannte Gegenwart zusammenbraut(sic). Sie stellen [als neue „historische“ Subjekts (Hegels)?] eine Geschichte her, in der sich eine [universale, Badiou] Wahrheit mühsam ihren Weg bahnt und sich durch ihre Universalität von den Gegebenheiten ihrer Erscheinung losreißt.“(ebd. S. 86) – und „universales“ Ereignis wird.

Das „reaktive“ Subjekt (ebd. S. 87) hingegen, das Badiou mit dem -konservativen- „bürgerliche(n), demokratische(n)“(ebd.) Subjekt identifiziert, „leugnet“ nach Badious Auffassung, die „Wirksamkeit des Ereignisses“(ebd.), das eine neue -politische- Realität hervorbringt oder propagierte.

Dem (sog.) „reaktiven“ Subjekt, das der Franzose A. Badiou von seinem politischen Standort ausgehend in Relation zu einer „früheren Ordnung“(ebd. S. 88) und unter demselben „Transzendental“(ebd.) verortet, gilt es nach Badiou, eine -Politik- des (sog.) „containments“(ebd. S. 88) zu betreiben, in der es die -vorausliegenden- Errungenschaften „affirmiert“ und in die eigene Haltung überträgt:

“Auf eine andere Weise jedoch trägt es der Existenz des [politischen] Körpers(sic) am stärksten Rechnung. Im Besonderen vervielfacht es in verschiedenen Formen (die Labour-Doktrin in England, die Reformen der Front populaire und der Libération in Frankreich, der New Deal in den Vereinigten Staaten...) die Zugeständnisse, die gegenüber (den Arbeitern) gemacht wurden, definiert eine soziale Politik und zügelt den uneingeschränkten Appetit der Kräfte aus Industrie und Finanz, vorausgesetzt, daß all dies im Rahmen einer früheren Ordnung bleibt“, die die Phänomene -lokal- „beschränkt“(ebd.) und dabei keine -historische, aufsteigende o.ä.- Dialektik entfaltet.

Die -differenzierten- „Subjektivierungen“, die jeweils eine -Badiou- „Bewertung der Identitäten und Differenzen unter dem Gesetz des Transzendentals“(ebd. S. 88) vornehmen, „schlagen“ nicht, wie es die -platonische- Dialektik in -Platons- „Politeia“ (gr. „Staat“) verheißt, ineinander „um“.

In der auf (zeitlich-linear) aufeinander folgende Staatsmodelle -“Timokratie“, „Oligarchie“,“Tyrannis“, „Demokratie“- adaptierten Dialektik, die Platon unter dem Titel „Politeia“ übrigens dem „Naturgesetz“ der ins „Gegenteil“(Platon,Politeia) umschlagenden klimatischen „Jahreszeiten“(ebd.) wie dem -physiologischen- Wandel der „Pflanzen“(ebd.) und „Körper“(ebd.) -nicht(!) der Geometrie- nachstilisierte, treten ineinander „übergehende“, transformierende Staatsformen und korrelative „(proto-)typische“ Individualitäten hervor.

So wandelt sich in der (sog.) „Oligarchie“, in der nach Platons Worten sich das Charakteristikum des im „Geld“ definierten „Höchsten“ -(Zitat) “sowohl bei einem solchen Staat wie bei einem solchen [drohnenartigen; ebd.] Individuum“(ebd.) ausprägt, das vorher „ehrgierige“(sich; S. 304) in das „geldgierige“(ebd.) Individuum „um“(ebd.).

Auch die -hierarchische- Anordnung der (dreigliedrigen) Seelenorganisation wird -neu- arrangiert, Platon:

“Das wißbegierige Vernunftvermögen und den hochstrebenden Zornmut(sic) setzt er [der Charakter] zu Füßen auf beide Seiten des Thrones jener sinnlichen Begehrlichkeit als ihr unterworfene Sklaven(sic), läßt einerseits das Denkvermögen der Vernunft nichts anderes denken und ins Auge fassen als wie man aus kleineren Kapitalien größere machen könne, andererseits den ehrbegierigen Feuermut(sic) nichts anderes bewundern und ehren als Reichtum und reiche Leute und sich aus sonst gar nichts eine Ehre machen als aus Geldbesitz und was dazu führt.“(Platon. Politeia. 353 A-354B; ebd. S. 304)

Billige Konsequenz dieser -aktuellen- Realität: „Arme“ und „Reiche“ liegen in solchem Staat in ständiger, (Platon:)“gegenseitiger Auflauer“(ebd.S. 301), die sich in der „Perspektive“ einer konkurrierenden (idealen) „Aufstiegs“- Bewegung, wie sie in Platons „Höhlengleichnis“ vorkommt, in eine allseitige „Rotation“ verwandelt. E.B.